Professbuch, St.Gallen, um 803 – 11. Jh.

Professbuch, St.Gallen, um 803 – 11. Jh.

Wie die Kritzeleien eines Egomanen sehen gewisse Seiten aus dem St.Galler Professbuch aus. Über die Seite verteilt wimmelt es von ego hier ego da. Bei genauerem Hinsehen entdeckt man ein Schema. Vor dem ego steht ein Kreuz, hinter ihm der Name eines Mönchs. Im Unterschied zu Egomanen verewigten die St.Galler Mönche im Professbuch mit ihrem namentlichen Eintrag jedoch nicht ihre Individualität. Im Gegenteil, sie gaben ihr Ego auf und stellten es hinter das Kreuz.

Mönche legen nach einer gewissen Probezeit als Novizen ein feierliches Gelübde auf Lebenszeit ab. Darin versprechen sie, das Kloster nicht mehr zu verlassen, Gehorsam und einen klösterlichen Lebenswandel. Zur Besiegelung des Gelübdes trugen sie sich eigenhändig ins Professbuch ein, falls sie schreiben konnten. Andernfalls reichte ein Kreuz. Profess bedeutet Bekenntnis. Nicht zum eigenen Ich, wie die wimmelnden Egos im ersten Moment suggerieren, sondern zu Gott und zur klösterlichen Gemeinschaft, wie es die ebenfalls wimmelnden Kreuze bezeugen.

Das Professbuch ist das einzige erhaltene Buch dieser Art aus dem frühen Mittelalter und enthält die Gelübde der St.Galler Mönche seit der Gründung ihres Klosters durch Abt Otmar. Es wurde um das Jahr 800 angelegt und die Einträge reichen bis in die Mitte 11. Jahrhundert.


Diese Webseite verwendet Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu bieten.
Durch die weitere Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden. Mehr erfahren